Erinnern wir uns. Nach dem Ausflug mit dem Triebwagen 5042 nach Ernstbrunn und der anschließenden Draisinenfahrt haben wir am Freitag in Götzendorf den mit 310.23 und 52.4984 bespannten Dampfsonderzug bestiegen, der uns nach Budapest zum Grand Prix der Dampfloks bringt. In Györ ist eine Pause zum Wasserfassen der Loks vorgesehen. Beide Dampfloks kuppeln ab und begeben sich in die dortige Zugförderungsstelle.
Doch die geplante Rückkunft der Loks verzögert sich. Irgend etwas stimmt da nicht! Dann verbreitet sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. 310.23 ist auf einem schlecht verlegten Gleis mit der mittleren Treibachse entgleist. Welche Katastrophe. Was tun? Warten bis zum Aufgleisen der Lok? Das dauert viel zu lange. Man beschließt, den Rest des Weges mit 52 4984 alleine zu beschreiten. 310.23 soll dann, wenn keine weiteren größeren Schäden zu verzeichnen sind, nachkommen. Doch reicht der Kohlevorrat von der 52er für die lange Strecke allein? Man will es probieren. Mit drei Stunden Verspätung geht es weiter Richtung Budapest.
Das tut aber der guten Laune unter den Fahrgästen keinen Abruch. Schnell hat man sich kennengelernt und erste Freundschaften geschlossen. In Komarom ist wieder ein längerer Aufenthalt vorgesehen. Eine ungarische Rangierlok setzt sich vor unsere 52er und zieht diese in die nahe Zugförderung. Ja, was ist denn das schon wieder? Ist etwa 52 4984 jetzt auch defekt? Nach gut einer Stunde taucht sie jedoch wieder auf und wird vor den Zug gespannt. Aufatmen, alles ok, nur Wasserfassen und Ausschlacken. Warum jedoch eine Rangierlok dafür den Verschub besorgen musste, entzieht sich unserer Kenntnis.
Nun geht es weiter Richtung Budapest. Die geplante Stadtrundfahrt muss nun leider ausfallen. Wie hatte doch ein Dampflokführer vorher so scherzhaft bemerkt: „Ich bin noch nie bei Tageslicht in Budapest angekommen“, und so sollte es auch heute sein.
Schnell wird das Programm in Budapest geändert. Check-in in die Hotels ist erst nach dem Abendessen und der Schifffahrt auf der Donau. Mit fünf Stunden Verspätung erreichen wir den Bahnhof Nyugati, den Westbahnhof mit seiner sehenswerten Halle aus Glas und Stahl. Busse bringen uns zur Donau, wo auf dem Schiff ein Buffet auf uns wartet.
Auf dem Schiff werden auch die Gewinner des großen BAHNERLEBNIS-Reiserätsels ermittelt. Müde beziehen wir unser Hotel, was uns aber nicht davon abhält, in der Hotelbar noch einige Neuigkeiten des Tages auszutauschen.
Am Samstag warten schon die Busse vor dem Hotel, um uns in den Eisenbahnpark zu bringen. Der „Grand Prix der Dampfloks“ steht auf dem Programm. Dabei hat der Eisenbahnpark noch vielerlei mehr an eisenbahntechnischen Leckerbissen zu bieten.
Allein die Sammlung historischer Dampfloks hat es in sich. In einer gepflegten Parkanlage kann man überall Eisenbahn anfassen und erleben. Signale, historische Güter- und Personenwagen, Dieselloks und Triebwagen sind hier versammelt. Ein kleines Museum informiert über die Anfänge der ungarischen Eisenbahn bis zur heutigen modernen Bahn. Vor dem großen Ringlokschuppen haben sich die Teilnehmer am Grand Prix versammelt und stehen schon unter Dampf.
Neben den Zugloks unseres Sonderzuges, der 310.23 – ja sie ist da, unbeschadet und in alter Schönheit, und 52 4984 sind dies 03 1010 aus Deutschland, 109 109 und 424 247 aus Ungarn sowie Tr5-65, eine ehemalige preußische G8 aus Polen.
Folgende Aufgaben wurden gestellt, wobei immer zwei Loks im Wettstreit gegeneinander antreten, die Wertung aber insgesamt von allen Teilnehmern gemacht wird.
Als erstes steht das Abholen eines Postpaketes mit dem Feuerhaken und das anschließende Ablegen des Paketes in einem „Postkasten“ auf dem Programm, wobei die Lok aber nicht stehen bleiben darf. Hierbei wird die Zeit gewertet.
Als nächstes muss eine Bierdose auf der Treibstange möglichst schnell zum Zielort balanciert werden. Der dritte Durchgang ist der interessanteste. Ein kleines Feuer muss mit einem Eimer Wasser gelöscht werden, wobei das Wasser aus der Dampflok gefasst wird. War das Feuer gelöscht, muss eine an das Gleis gefesselte Frau befreit und diese zu einer Handhebel-Draisine gebracht werden. Anschließend fährt das gesamte Lokpersonal mit der Draisine zum Ausgangspunkt zurück.
Vierte Prüfung ist das Zielbremsen vor einem bestimmten Punkt, wobei der Lokführer die Augen verbunden hat. Hier wird dann die kürzeste Entfernung zum Zielpunkt gewertet.
Fünfte und letzte Prüfung ist der Sprint, also das zurücklegen der Fahrtstrecke in kürzester Zeit. Selbstverständlich waren einige Loks durch ihre Bauart anderen weit überlegen, doch im Vordergrund stand der Spaß an der Sache. Und den hatten alle. Beteiligte wie auch die zahlreichen Zuschauer. Gewinner war die Mannschaft der 424, vor den Polen und der 109er.
Ein weiterer interessanter Wettbewerb fand in dem weitläufigen Areal zusätzlich statt. Der Wettbewerb der Speisewagen. Aus Rumänien, Thüringen, Berlin, Kroatien, Österreich, Ungarn waren hierzu Speisewagen gekommen. Hier kamen alle Besucher, vor allem kulinarisch, auf ihre Kosten, wurden doch überall typische Spezialitäten des jeweiligen Landes aufgetischt. Wann kann man sonst in Ungarn Eisbein mit Sauerkraut essen? Musikkapellen, Kellner und Begleiterinnen in landestypischer Tracht und einfallsreiche Dekorationen machten diesen Wettbewerb zum eigentlichen Höhepunkt des Festes. Überall konnte probiert und gekostet werden, wie im Schlaraffenland.
Viel zu schnell ging der Tag zu Ende, den manch einer mit einem Stadtrundgang in Budapest ausklingen ließ, als kleine Entschädigung für die entgangene Busrundfahrt vom Vortag.
Am Sonntag war schon unser letzter Reisetag angebrochen. Die Reisebusse brachten uns diesmal zum Bahnhof Keleti, dem Ostbahnhof. So kamen wir in den Genuss, beide Baustile dieser sehenswerten Bahnhöfe in Budapest zu bewundern. Hier herrscht noch echte Bahnhofsatmosphäre. Als dann noch 310.23 und 52 4984 in die Bahnhofshalle mit viel Dampf einfuhren, fühlte man sich in die Zeiten der Monarchie versetzt. Ja so könnte das damals gewesen sein.
Nach dem Umsetzen des Zuges und der Dampfloks an die Zugspitze war der Zug bereit zur Abfahrt. Mit einem Kavalierstart machten sich die zwei mächtigen Maschinen auf den Heimweg. Durch die Vorstadt von Buda wurde entlang der leicht hügeligen Donau-Landschaft über Tatabanya unser nächster Halt in Komarom erreicht. Hier mussten dann beide Dampfloks zum Wasserfassen in die Zugförderung, diesmal aber mit eigener Kraft (wir erinnern uns an die Hinfahrt). Mit frischen Wasservorräten und ausgeschlackt erreicht der Zug Györ, allerdings mit etwas Verspätung. Der geplante Stadtrundgang wurde daher auf die Zeit nach dem Mittagessen verschoben.
Györ zu deutsch Raab ist eine bezaubernde Stadt mit tausendjähriger Geschichte. Neben dem imposanten Rathaus gleich gegenüber dem Bahnhof gefällt vor allem die malerische Altstadt mit den verwinkelten Gässchen, barocken Häusern und Kirchen und dem großzügigen Marktplatz. Zurück am Bahnhof wird die geplante Scheinanfahrt des Zuges flugs durch die normale Zugeinfahrt an unseren Abfahrtsbahnsteig ersetzt. Dies spart Zeit und so fahren wir pünktlich auf die Minute in Györ ab. Während der Fahrt wird im Buffetwagen eine kalte Schlachtplatte mit köstlichen Bauernbrot serviert. Schnell bringt uns der Zug Richtung Heimat, und so erreichen wir pünktlich den Wiener Ostbahnhof. Eine wunderschöne Reise geht zu Ende.
Vollgepackt mit vielen neuen Eindrücken und Erlebnissen verlassen wir den Zug. Beim Abschied gibt es viel Umarmungen, etliche Teilnehmer verabreden sich zu weiteren privaten Treffen. Insgesamt sind alle mit den Fahrtverlauf sehr zufrieden, sogar für die Verspätungen wurde Verständnis gezeigt. Die erste große Reise vom BAHNERLEBNIS-Club war ein voller Erfolg und so war beim Abschied die Frage: „Wo geht es nächstes Jahr hin?“ die wohl am meisten gestellte.
Wer diese schöne und abwechslungsreiche Fahrt noch einmal in bewegten Bildern nacherleben möchte, dem empfehlen wir die BAHNORAMA DVD: Die BAHNERLEBNIS-Clubreise 2008 „Unterwegs mit Draisine und Dampf“ im BAHNERLEBNIS-Shop.